Ein PDF für alle?

Barrierefreie PDFs mit InDesign erstellen

Gerrit Imsieke, le-tex publishing services GmbH

Frankfurter Buchmesse 2023

Barrierefreie PDFs

Standards

  • PDF/A-1a (2005)
  • PDF/A-2a (2011)
  • PDF/UA (2012), auch „getaggtes PDF“ genannt

Übliche PDF-Tags

  • Part, Sect, Div, BlockQuote
  • H1–H6
  • P, LI
  • Table, Figure, Formula, Form
  • Artifact

PDF-Anforderungen

  • vollständiges Tagging des wahrnehmbaren Inhalts
  • Logische Lesereihenfolge
  • Metadaten (z.B. dc:title)
  • Tags sollen der Bedeutung entsprechen („semantisches Tagging“)
  • Keine unlogischen Überschriften, Bedeutung nur per Farbe/Kontrast transportieren, nicht barrierefreies JavaScript, etc.

PDF-Anforderungen

  • Alternativtexte für Abbildungen, Formeln etc.
  • Sicherheitseinstellungen müssen assistive Technoogien zulassen
  • Unicode-kompatible Schriften, eingebettet
  • Navigierbarkeit (verlinktes IHV)
  • Auszeichnung der natürlichen Sprache

Screenshot of an PDF/UA with Adobe Acrobat where you can 
              see the structure of the PDF tags.

PDF/UA-Beispiel

Gesetzliche Anforderungen

EU-Richtlinie / BFSG

  • Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen und zur Änderung anderer Gesetze (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, BFSG), 16.07.2021
  • Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – BFSGV), 15.06.2022
  • Anforderungen gelten ab 28.6.2025

Begriffsbestimmung E-Book

E-Book und hierfür bestimmte Software
(§ 2 Ziffer 37a BFSG)

…einen Dienst, der in der Bereitstellung digitaler Dateien besteht, die eine elektronische Fassung eines Buches übermitteln und Zugriff, Blättern, Lektüre und Nutzung ermöglichen

§ 18 BFSGV: Zusätzliche Anforderungen an E-Books

E-Books müssen

  1. die synchronisierte Bereitstellung von Text- und Audioinhalten gewährleisten, sofern sie neben Text auch Audioinhalte enthalten,
  2. gewährleisten, dass die Dateien des E-Books die ordnungsgemäße Funktionsweise assistiver Technologien nicht verhindern,
  3. den Zugang zu Inhalten gewährleisten,
  4. die Navigation im Dateiinhalt und im Layout einschließlich dynamischer Layouts gewährleisten,
  5. eine Struktur bereitstellen,
  6. Flexibilität und Wahlfreiheit bei der Darstellung der Inhalte bereitstellen,
  7. alternative Wiedergabearten für den Inhalt in wahrnehmbarer, verständlicher, bedienbarer und robuster Weise ermöglichen,
  8. die Interoperabilität des Inhalts mit assistiven Technologien in wahrnehmbarer, verständlicher, bedienbarer und robuster Weise ermöglichen,
  9. die Auffindbarkeit der Barrierefreiheitsmerkmale durch Bereitstellung von Informationen in Form von Metadaten gewährleisten und
  10. nach Maßgabe der §§ 95a bis 96 des Urheberrechtsgesetzes gewährleisten, dass Barrierefreiheitsfunktionen nicht durch technische Maßnahmen zum Schutz von Werken und sonstigen Schutzgegenständen blockiert werden.

Auslegung

  • Herrschende Meinung: alle elektronischen Publikationsformen (PDF, EPUB, …) müssen barrierefrei sein
  • Mögliche Neuauslegung oder zukünftige Präzisierung: Es genügt, wenn eine inhaltsgleiche Ausgabe barrierefrei ist.
  • Verlage mit automatisierter EPUB3-Produktion könnten dann aufs PDF-Taggen verzichten
  • Allerdings werden Bibliotheken momentan vorwiegend mit PDFs beliefert
  • Und nicht jeder Verlag produziert automatisch EPUB3

Szenario: Kleinerer Fachverlag mit InDesign-Satz und OA-Angebot

Open-Access-Publikationen werden zum Download angeboten

Erzeugung eines barrierefreien EPUBs aus Satzdaten aufwändig (noch aufwändiger als PDF/UA)

⇒ das PDF soll barrierefrei werden

Situation

  • Jede:r Setzer:in nutzt eigene Formatvorlagen
  • Merkboxen werden als Tabellen angelegt (die durchaus noch echte Tabellen enthalten können)
  • Listen werden händisch nummeriert
  • Sonderzeichen-Fonts mit Zeichen an reservierten Unicode-Positionen
  • Spalten- oder Zeilenköpfe in Tabellen werden lediglich durch Fettung ausgezeichnet
  • Abbildungen werden selten verankert
  • Es gibt Doppelseiten mit Bildstrecken oder Karten

Maßnahmen

  • Standardisierung der Formatvorlagen und des Mappings auf Tags
  • Merkboxen werden per Absatzhinterlegung (Schattierung, Randlinien) angelegt (siehe Beispiel 8 Folien später)
  • Listen automatisch nummerieren, wo möglich
  • Open-Type-Fonts, notfalls mit Sonderzeichen in der Private Use Area
  • Spalten- und Zeilenkopfe in Tabellen korrekt taggen und ihren abhängigen Zellen zuordnen (siehe Beispiel 4 Folien später)
  • Abbildungen verankern
  • tja („es gibt Doppelseiten mit Bildstrecken oder Karten“)

Doppelseite mit Karte

Aus Politik und Zeitgeschichte 26–27/2023, S. 27, 28, 29

Doppelseite mit Karte, Tagging

In der Tag-Ansicht sieht man, dass die Karte vorm Artikel steht, Verankerung nicht möglich

Problemzonen

  • Unverankerbare Bilder in doppelseitigen Bildstrecken
    Möglicher Workaround:
    • getaggte, für Print ausgeblendete Bilder im Textfluss
    • eigentliche Print-Doppelseite mit ansonsten identischem Inhalt als Artefakt auszeichnen

Problemzonen

Masterarbeit von Sarah Laneus: „Die Umsetzung von Barrierefreiheit in unterschiedlichen InDesign-Workflows“:
Korrekte Zuordnung von Spalten- und Zeilenköpfen in Tabellen mit MadeToTag

Problemzonen

MA Sarah Laneus: axesPDF räumt auf, was MadeToTag übrig ließ

Tools

MadeToTag

  • InDesign-Plugin von axaio
  • weit verbreitetes Tool fürs Erzeugen von PDF/UA
  • insb. beim Mappen der Formatvorlagen zu Tags und bei der Zuordnung von Spalten- und Zeilenköpfen bei Tabellen hilfreich
  • auch sonst Funktionalität, die InDesign nicht oder nur umständlich bereitstellt (z.B. überhaupt PDF/UA-Export)

MadeToTag

Verwendung bei Hogrefe für Boxen mit Absatzhinterlegung

axesPDF

  • Prüfung der logischen Struktur, der Metadaten, falsch kodierter Zeichen, ungetaggten Inhalts etc.
  • Findet Artefakte, die MadeToTag übersieht (4 Folien zurück)
  • kann viele Probleme automatisch korrigieren

PDF/UA-Produktion bei le-tex

  • Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
    • Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ)
    • Schriftenreihe
  • Bundesamt für Naturschutz (BfN)
    • barrierefreie Aufbereitung von InDesign-Fremddaten
  • Unterstützung von Hogrefe bei der Umstellung auf PDF/UA (und EPUB3)

Testimonial APuZ

Mögliches Beratungsangebot

Unsere PDF/UA-fähigen InDesign-Setzer:innen übernehmen zwar lieber komplette Projekte, aber wir würden unsere (und damit auch tw. Hogrefes) Erkenntnisse im Rahmen von Beratung teilen:

  • Formatvorlagenkatalog und Mapping erstellen
  • Dokumentation im Wiki
  • hausintere Ansprechpartner:innen schulen
  • haklige Probleme im Rahmen von Support-Tickets lösen
  • Anflanschen von transpect-Konvertern wie IDML → XML → EPUB, docx+Metadaten → IDML
  • Überlegung, ob evtl. automatischer Umbruch aus Word/XML mit xerif günstiger wäre. Voraussetzungen:
    • Layouts nicht zu komplex/individuell
    • PDF/UA-Export für xerif verfügbar (2024)

Ansonsten verweisen wir auf Experten wie Klaas Posselt (einmanncombo), der in Deutschland wohl der Guru für barrierefreie PDFs ist und der Sarah Laneus bei ihrer Masterarbeit unterstützt hat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit